Kreishaushalt 2026 im freien Fall

Rekorddefizit von knapp 43 Mio. Euro erwartet

„Ich hätte mir lieber einen anderen Superlativ zum Start gewünscht, aber: unser Kreishaushalt 2026 ist in freiem Fall. Von 2025 auf 2026 planen wir mit einer Verschlechterung von 22 Mio. Euro. Der Ergebnishaushalt weist ein neues Rekorddefizit von 42,8 Mio. Euro auf“, so Landrat Martin Brandl zu seinem ersten Haushalt als Landrat. „Ausschlaggebend ist ein Einbruch bei der Kreisumlage um 27,5 Mio. Euro, die Schlüsselzuweisung B steigt um 15,6 Mio. Euro. Das sind insgesamt 11,9 Mio. Euro weniger und das bei stark steigenden Aufwendungen“, geht Landrat Martin Brandl auf eine der wesentlichen Ursachen ein.

„Bei den Aufwendungen ist der Zuwachs beim strukturellen Defizit, also Jugendhilfe und Sozialhilfe, entscheidend. Dort erhöht sich der Zuschuss um insgesamt um 14,1 Mio. Euro. Ganz vorne stehen dabei die Aufgabenbereiche Kindertagesstätten (+ 5,7 Mio. Euro), Hilfen zur Erziehung (+ 3,5 Mio. Euro), Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Menschen (+1,4 Mio. Euro), Leistungen zur sozialen Teilhabe (+ 2,3 Mio. Euro), Teilhabe an Bildung (+1,4 Mio. Euro) und Teilhabe am Arbeitsleben (+ 0,6 Mio. Euro). Die Schere“, so Brandl, „geht bei den Sozial- und Jugendhilfeaufwendungen immer weiter auseinander. Die Aufwendungen wachsen um ein Vielfaches schneller als die Erträge. Das kann kein Haushalt mehr stemmen. Ein Ausgleich des Haushalts rückt in utopische Ferne.“

Kreiskämmerer Martin Schnerch erklärt den Einbruch bei der Kreisumlage im Detail: „Bei der Kreisumlage spielen die Veränderungen bei der Gewerbesteuer eine wichtige Rolle. Gegenüber dem Vorjahr reduziert sich diese Umlagegrundlage um 61,1 Mio. Euro. Maßgebend ist dabei vor allem die Situation von Wörth (- 46 Mio. Euro) und Germersheim (-12 Mio. Euro). Im Ergebnis führt das dazu, dass es für 2026 de facto keine Kreisumlage-Progression (wie bisher) geben wird. Bleibt es beim Status Quo und dem bisherigen Eingangsumlagesatz von 47 Prozent kämen wir 2026 auf 80 Mio. Euro nach dem Rekordergebnis von 107 Mio. Euro in 2025“, so Schnerch.

Martin Brandl bringt das Thema Kreisumlage und die aktuelle Diskussion mit den Ortsgemeinden auf den Punkt: „In unserem Vortrag vor den Gremien haben wir an einigen ausgewählten Beispielen, wie Kindertagesstätten, Schülerbeförderung und Schulen allgemein, aufgezeigt, dass allein bei diesen Aufgaben ein Rückfluss von ca. 93 Prozent an die Gemeinden erfolgt. Die Kreisumlage geht damit – aufgrund der für die Gemeinden wahrzunehmenden Aufgaben - wieder komplett zurück in den kreisangehörigen Raum. Und gegenüber dem Land sitzen die Gemeinden und der Landkreis in einem Boot“, betont Brandl die finanzielle völlig unzureichende Finanzausstattung der Gemeinden und des Landkreises von Seiten des Landes Rheinland-Pfalz an.

 

„Der hochdefizitäre Haushalt erfordert leider eine deutliche Zunahme der Verschuldung“, geht Kreiskämmerer Martin Schnerch auf die Refinanzierung ein. „Mussten wir zur Stärkung der Liquidität den Höchstbetrag der Liquiditätskredite in 2025 noch um 4 Mio. Euro auf 72 Mio. Euro gegenüber dem Basishaushalt erhöhen, werden wir jetzt eine Steigerung auf 95 Mio. Euro fortschreiben.“ Die Summe der Verschuldung aus der Aufnahme von Liquiditätskrediten und Investitionskrediten steigt planmäßig zum Jahresende 2026 um weitere 64,5 Mio. Euro auf 228,5 Mio. Euro an.

Bei den Investitionen stehen beispielsweise neben den seit vielen Jahren prägenden Schulinvestitionen vor allem der Neubau des Gymnasiums Rheinzabern (insgesamt 44,9 Mio. Euro, davon 2026 1,4 Mio. Euro), für Kindertagesstätten 4,9 Mio. Euro, einen weiteren Anteil zum Ankauf des Sparkassengebäudes in Kandel mit 3,3 Mio. Euro, Zuweisung zur Rettungswache in Bad Bergzabern mit 1,6 Mio. Euro, Brandschutzsanierung bei der BBS in Wörth mit 1,6 Mio. Euro im Raum. Insgesamt sind für 2026 37,4 Mio. Euro vorgesehen; das liegt auf dem Vorjahresniveau mit 37,9 Mio.

Weiter sind ca. 9 Mio. Euro aus dem Programm „Handlungsstarke Kommunen“ eingeplant. Dies ist der Kreisanteil an den zusätzlichen 300 Mio. Euro des Landes zur anteiligen Unterstützung der Sozialausgaben. Die gleiche Summe wird in den nächsten Wochen dem Landkreis auch für den zu Ende gehenden Haushalt 2025 noch zur Verfügung stehen.

An eigenen Einsparungen bzw. Verbesserungen der Einnahmen sieht der Landkreis beispielsweise die bereits in 2025 reduzierte Schwimmförderung (-450.000 Euro auf 50.000 Euro), weitere Sparkassenmittel (+800.000 Euro), Verkauf der KVV-Anteile (+200.000 Euro) vor. Außerdem zählen die wirtschaftliche Erneuerung der Verwaltung ohne erhebliche Neubaukosten, Prozessoptimierungen beim Change-Management, New Work und Digitalisierungsschwerpunkte dazu.

Die ADD hat signalisiert, dass sie diese Konsolidierungsbemühungen als „größtmögliche Kraftanstrengung“ anerkennt.

„Als Fazit ist festzuhalten, dass es trotz vieler guter Ansätze und Bemühungen einfach nicht ausreicht“, stellt Landrat Martin Brandl frustriert fest. „Alle genannten Entwicklungen und die von uns, wo immer möglich, eingeleiteten Gegensteuerungsmaßnahmen und Verbesserungen reichen bei den hohen Ausgangsdefiziten einfach nicht aus, das wachsende Defizit einzudämmen.“

Bund und Land bleiben aufgefordert, sehr zeitnah für eine angemessene Finanzausstattung der gesamten kommunalen Familie zu sorgen. Ansonsten steht den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine überbordende Verschuldung bevor. Diese hohen Defizite werden in Rheinland-Pfalz flächendeckend gemeldet. Die positiven Effekte aus dem Programm „Partnerschaftliche Entschuldung der Kommunen“ 2023 durch die Landesregierung infolge von Schuldübernahmen über 3 Milliarden Euro könnten sonst bereits 2026 verpufft sein.

Die weiteren Beratungen zum Kreishaushalt 2026 erfolgen in der Sitzung des Kreisausschusses am 8. Dezember, der Beschluss durch den Kreistag ist für den 15. Dezember 2025 vorgesehen.